Papenhuder Straße: Wünsch Dir was bei der Verkehrsplanung

Car Lobby Strikes Back: Small Sidewalks, Small Cycle Paths, But Many Parking Lots for Papenhuder Straße
Aktualisiert am 21.08.2014
© hamburgize.com / Stefan Warda
Streitpunkt zwischen Senat und dem CDU-Politiker Ploß ist die gelbe Fläche. Auf der Oststeite der Straße parken Autos auf Teilen der Fahrbahn (weiße Markierungen) und den eigentlichen Längsparkbuchten (zwischen den Bäumen mit Wabenpflaster). Für die Anlage von Schutzstreifen als Ersatz für unbenutzbare "Radwege" sollen die Autos nur noch in den baulich vorhandenen Längsparkbuchten stehen

Im Rahmen der Busbeschleunigung plant der Senat für den Abschnitt Papenhuder Straße die kaum nutzbaren und zu schmalen Radwege durch Schutzstreifen auf der Fahrbahn zu ersetzen. Um überhaupt regelkonforme Radverkehrsanlagen einzurichten würden dadurch 35 Plätze für Stehzeuge entfallen. Christoph Ploß von der CDU macht mächtig Druck gegen die Pläne. Er möchte das Unmögliche möglich machen und fordert die Beibehaltung aller Stehzeugplätze, den Erhalt aller Bäume, aber auch gleichzeitig den regelkonformen Ausbau der vorhandenen Radwege.

Ausgebaute und sanierte Radwege in der Papenhuder Straße, damit die Radfahrer auf einem eigenen Bereich sicher fahren können.

Gleichzeitig soll es nach Ploß vermehrte Kontrollen gegen Kampfparker geben. Mal abgesehen von den Kontrollen, die prinzipiell ja auch eher unerwünscht sind - wie soll das alles funktionieren? Das derzeitige Problem in der Papenhuder Straße betrifft die Nebenflächen. Dort wurden im vorhandenen Altbaubestand mit vorgelagerten Treppenaufgängen auf den vorhandenen Gehwegen schmale Radwege abgetrennt, die nicht den Regelwerken entsprechen. Es gibt keine Abstellmöglichkeiten für Fahrräder. Aus der Not heraus werden Fahrräder an die Absperrbügel angeschlossen, die das Kampfparken auf den schmalen Radwegelchen verhindern sollen. Dadurch sind diese "Radwege" unbenutzbar. Die restlich vorhandenen Gehwegflächen werden stark von Sondernutzungen in Anspruch genommen. Zum Teil hat es tagsüber einige Geschäftsauslagen auf den Gehwegen, vor allem aber gibt es in den Abendstunden zahlreiche Außengastronomie, die den Gehweg an manchen Stellen komplett versperrt. Übrigens gibt es im gesamten Abschnitt der Papenhuder Straße mit den illegalen Querparkern keine komfortable Möglichkeit für Fußgänger die Straße zu queren. Sich zwischen eng an eng stehenden Autos durchzudrängeln, um an die Fahrbahn zu gelangen und die Straßenseite zu wechseln, ist äußerst unattraktiv. Mit Einkaufstaschen mag kaum jemand gern zwischen den Längsseiten der Autos gehen, weil er Kratzer an den edlen Karossen befürchtet.


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Vergleich: Links mit geplantem Schutzstreifen, rechts mit vorhandenem "Radweg"(baustellenbedingt ohne Querparker über dem "Radweg")

Auf Teilen der östlichen Fahrbahnfläche und den baulich noch vorhandenen Längsparkständen wurden Schrägparkflächen markiert, die jedoch in Querparkaufstellung genutzt werden. Dadurch passen zwar mehr Stehzeuge auf die Parkfläche, die Stehzeuge beeinträchtigen dadurch aber auch den angrenzenden "Radweg". Die Stehzeugüberhänge ragen bis über den nicht mehr benutzbaren "Radweg". Es ist fraglich, ob Ploß zu den 35 Parkplätzen auch solche Plätze berücksichtigt, die durch die illegale Queraufstellung ermöglicht werden. Da Ploß aber den Radweg ausbauen möchte muss die illegale Aufstellung ohnehin wieder rückgängig gemacht werden. Für die Busbeschleunigung soll der durch die Querparker (Schrägparker) genutzte Teil der Fahrbahn wieder dem fließenden Verkehr zugeführt werden. Parken soll wieder wie baulich ehemals eingerichtet nur noch in den Längsparkständen möglich sein. Dadurch gibt es mehr Platz für Fußgänger und Platz für Schutzstreifen für Radfahrer. Bislang bestehen die Gehwege z.T. aus öffentlichen und privaten Gehwegflächen. Auf der Westseite ist der öffentliche Gehweg neben dem Radweg abschnittsweise nur ein Meter breit. Die private Gehwegfläche darf von den Anliegern komplett für Sondernutzungen belegt werden oder kann auch in einen Vorgarten umgewandelt werden.


Ostseite Papenhuder Straße

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Querparken statt Schrägparken

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Querparken statt Schrägparken

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Querparken statt Schrägparken

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Querparken statt Schrägparken

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Querparken statt Schrägparken


Aus den Forderungen des Herrn Ploß lässt sich ein verkehrliches Leitbild ablesen, dass noch aus dem letzten Jahrhundert stammt:
  • Maximale Flächen für Stehzeuge
  • Ausbau der vorhandenen Radwege
  • Keine Baumfällungen
In seinem Forderungskatalog tauchen weder Gehwegflächen noch Platz für Sondernutzungen auf. Nach den drei Forderungen des Herrn Ploß müssten an manchen Stellen die Gehwege nahezu ganz wegfallen. Andererseits dürften unter Berücksichtigung der Empfehlungen für den Fußgängerverkehr (EFA) als gültiges Regelwerk die zu schmalen Radwege nicht zu Lasten der Gehwege verbreitert werden. An manchen stellen scheinen sogar die Querparkstände zu kurz zu sein, denn viele Querparker stehen teilweise auf dem "Radweg". Hier müsste beim Ausbau der Radwege ebenso Abhilfe geschaffen werden. Das Regelmaß für Radwege von zwei Metern lässt sich kaum verwirklichen. Das Mindestmaß beträgt immerhin noch 1,5 Meter, doch selbst dafür reicht der Platz zwischen Bäumen und Hauswänden unter Berücksichtung angemessener Gehwegbreiten nicht aus. Für die Verbreiterung der Radwege neben den Querparkern müssten zudem Poller eingebaut werden, damit die Querparker die Radwege nicht weiterhin überfahren.


Westseite Papenhuder Straße

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Fordert Ploß hier den Ausbau auf 2,1 Meter breite Gehwege, 1,6 Meter breite Radwege, Beibehalt der Bäume und Parkplätze?

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Eierlegende Wollmilchsau

Die drei Kernforderungen verschleiern, dass unter Beibehalt der maximalen Stellplatzzahl und Beibehalt aller Bäume kein Ausbau von Radwegen möglich ist und die Gehwegflächen weiterhin stark durch Sondernutzungen und die vorhandenen schmalen "Radwege" eingeschränkt blieben. Beim Bau des Quartiers hatte gab es keine Autos, der Straßenraum war nicht für die Inanspruchnahme großer Flächen für Stehzeuge vorgesehen gewesen. Es gibt nicht einmal Platz zum Aufstellen der Mülltonnen. Für die Stadteinigung stehen die Mülltonnen auf den schmalen Radwegen bereit. Ploß möchte für die Papenhuder Straße offenbar die eierlegende Wollmilchsau, alles soll möglich sein, was aber nur unter Abriss einiger Häuser oder Aufgabe der Gehwege geht, wenn Fahrbahnen, Parkplätze und Bäume fix bleiben sollten.


Bewußtseinswandel in Deutschland

Genau dieses Denken hat jahrzehntelang die deutsche Vekehrspolitik bestimmt. Fahrbahnen für den Autoverkehrsfluss, großzügige Flächen für Parkplätze, Radfahrer sollten den Autoverkehrsfluss nicht stören und wurden auf Gehwege verlegt, zum Ärger der Fußgänger und Radfahrer. Im Gegensatz zu Deutschland gehen die Niederlande oder Kopenhagen schon lange andere Wege. In Kopenhagen wird im Zweifelsfall ganz auf Parkplätze verzichtet, wenn ein regelkonformer Radweg von 2,2 Metern Breite nicht realisiert werden kann. Luxuriöse Stehzeugflächen solchen Ausmaßes wie in der Papenhuder Straße gibt es in keinem Straßenraum mit Altbaubestand in einer Kopenhagener Hauptstraße. Doch auch in Deutschland gelten mittlerweile andere Standards als vor dreißig oder vierzig Jahren.


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Kopenhagen: Haupt- und Geschäftsstraße mit Buslinienverkehr

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Kopenhagen: Haupt- und Geschäftsstraße mit Buslinienverkehr. Kein Platz für Stehzeuge im Straßenraum. Mehr . . .

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Kopenhagen: Erschließungsstraße in Wohnquartier mit Radwegen. Stehzeuge haben auf privatem Grund Platz


Der ADAC empfahl 2004 im Rahmen der Untersuchung "Radfahren in deutschen Städten" lieber keinen Radweg als einen schlechten Radweg anzulegen bzw. keine Kombination von Minimalstbreiten vorzunehmen. Ein zu schmaler Radweg neben zu schmalen Gehweg usw. würde nicht der Sicherheit dienen. Im akltuellen ADAC-Leitfaden "Rad fahren - auf sicheren Wegen" ist analog zu den sonstigen Regelwerken (ERA, EFA) eine Regelbreite für Radwege von zwei Metern vorgesehen, nur bei geringem Radverkehr eine Radwegbreite von 1,6 Metern. "Ausreichende Gehwegbreiten" sind ebenfalls zu berücksichtigen. An Engstellen können die mindestbreiten der Verkehrsanlagen aller Verkehrsteilnehmer unterschritten werden. Dies betrifft jedoch Abschnitte von maximal fünfzig Metern Länge. Bei längeren Abschnitten sollten Radwege aufgelöst werden und der Radverkehr sicher auf die Fahrbahn aufgeleitet werden oder aber eine einstreifige Führung für den Kfz-Verkehr mit Richtungswechselbetrieb unter Aufrechterhaltung des Radverkehrs in beide Richtungen in Erwägung gezogen werden. Die angemessene Berücksichtigung des Fußgängerverkehrs zählt zu den wesentlichen Forderungen an innerörtliche Radverkehrsanlagen.

Berücksichtigen Sie immer auch die Belange der Fußgänger bei Ihren Planungen.

Die Empfehlungen für Fußgängerverkehrsanlagen (EFA) sehen im Regelfall eine Gehwegbreite von mindestens 2,5 Meter, im abgeminderten Regelfall von 2,1 Meter vor. Falls punktuell oder auf größerer Länge diese Breiten nicht eingerichtet werden können ist auf Flächen für Stehzeuge oder den Radverkehr zu verzichten. Für Sondernutzungen wie Geschäftsauslagen und Außengastronomie sind Breitenzuschläge zu den genannten Mindestmaßen einzurichten.

Im Grunde berücksichtigt die Planung des Senats die aktuellen Richtlinien. Natürlich kann in dem Straßenraum nicht gleichzeitig der größtmögliche Raum für Stehzeuge, das Mindestmaß für Radwege (1,6 Meter) und für den Gehweg (2,1 Meter zzg. Breiten für Sondernutzungen) sowie eine für den Busverkehr erforderliche Fahrbahnbreite von 6,5 Metern eingerichtet werden. Wünsch dir was war immer nur möglich durch die Aneinanderreihung von Verkehrsräumen, die unter den Mindestbreiten lagen. Dabei wurde während den vergangen Jahrzehnte vor allem beim Rad- und Fußgängerverkehr gespart. Die Forderung des Herrn Ploß, die Radwege auszubauen und alle Parkplätze zu erhalten, sind purer Populismus im Zeichen des Vorwahlkampfs und entsprechen nicht dem Leitbild heutiger Verkehrsplanung in Deutschland.  

"Der Plan es den Autofahrern immer Recht zu machen, macht es für alle unerträglich." (Hans Bichel in AMR)

Roter hamburgischer Multifunktionsstreifen

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Gehweg und Fahrradparkplatz und Mülltonnenaufstellplatz und Autoparkplatz - alles steckt im Hamburger "Radweg"


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